
Offen über Sexualität, Familienplanung oder Verhütung spricht man in Tansania nicht. Solche religiösen Tabus – egal ob Muslime oder Christen sie vertreten – haben fatale Folgen. Wie eine Reportage aus dem ostafrikanischen Tansania zeigt. Es klang nach einem Tabubruch: Angesprochen auf das in Südamerika grassierende Zika-Virus sagte Papst Franziskus Anfang 2016: Verhütung sei „nichts absolut Böses“ und in Ausnahmefällen sogar einleuchtend. Auch sein Vorgänger hatte sich 2010 bereits für Kondome ausgesprochen – allerdings nur unter ganz bestimmten Bedingungen. Etwa wenn es darum gehe, dass Prostituierte sich und andere vor einer HIV-Infektion schützen müssten. Als Mittel der Familienplanung aber sehen weder Franziskus, noch Benedikt Kondome. In Entwicklungsländern wie Tansania hat das schlimme Folgen.

Abstinenz statt Kondom
In manchen Landesteilen ist noch immer jeder dritte mit dem HI-Virus infiziert. Nicht zuletzt, weil im Kampf gegen Aids vor allem die sogenannte ABC-Regel propagiert wird. Die beschreibt drei Möglichkeiten der Vorsorge: A wie „abstinence“, also enthaltsam bleiben. B wie „be faithful“, also treu sein und C wie „use a condom“, also Kondome benutzen. Religionsvertreter – ob katholisch, evangelisch oder muslimisch – predigen aber hauptsächlich das A und das B, also Enthaltsamkeit und Treue.
„Kondom ist Mord“
Als Mittel der Familienplanung sieht auch Papst Franziskus trotz seiner vieldiskutierten „Karnickel-Äußerung“ das Kondom nicht. Und manche Kirchenvertreter vor Ort fällen in der kritischen C-Frage ein noch harscheres Urteil. So sagte etwa der katholische Bischof Method Kilaini 2007, Kondome seien nicht nur ein Tabu, sie seien Mord.

Ähnlich hält man es in muslimischen Gemeinden. Zwar hat der größte muslimische Dachverband im Land, das National Muslim Council of Tansania, kurz Bakwata, sich 2008 selbst dazu verpflichtet, niemanden wegen einer HIV-Infektion oder einer AIDS-Erkrankung zu diskriminieren. In muslimischen Gemeinden über die Krankheit oder allgemein über Sexualität oder Möglichkeiten der Verhütung zu sprechen, kommt aber nach wie vor einem Tabubruch gleich, wie ein Besuch bei Muslimen, Katholiken und Protestanten in dem ostafrikanischen Land zeigt.
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